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Auf ihrem neuen Album Home präsentiert Jeanette Hubert elf berührende Songs zwischen Melancholie und Augenzwinkern, die mit luftigen, jazzigen Arrangements und eindringlichen Melodien ihren ausdrucksstarken Gesang zur Geltung bringen. Entstanden in einem Prozess über die vergangenen Jahre, ist das Album ein Zeugnis ihrer künstlerischen Unabhängigkeit und Selbstfindung.

Alle Stücke sind von ihr geschrieben und produziert, nahezu alle Instrumente selbst eingespielt. Als kämpferische Autodidaktin manövriert sich die Berlinerin außerdem schon immer kreuz und quer durch ein buntes Leben. Zwischen dem Komponieren von Musik für Theaterprojekte, vielfältigen Licht- und Tontechnikjobs, wie beispielsweise für „TV Noir“, sowie offener Jugendarbeit sammelt sie Inspirationen, Erfahrungen und Geschichten ein, die sie mit nach Hause nimmt. Und zuhause ist für Jeanette eine ganze Welt. Zuhause bedeutet Reisen, Suchen, Finden, Weglaufen und wieder Ankommen. Zuhause ist Sehnen, Freuen, Trauern. Zuhause ist das einzigartige Gefühl, irgendwo ganz zu sein. Zuhause, das ist ihre Musik.

Alles begann vor ein paar Jahren auf ihrem Sofa mit Kaffee und einer Gitarre. Geblendet von der grellen, einfallenden Herbstsonne nach einer langen Nacht mit Freunden, entstand in nur wenigen Minuten „By My Side“ – ein Song, bei dem man sich gedanklich in eine Jazzbar versetzen möchte, um der sanft-rauchigen Stimme der Sängerin zu lauschen. Statt wie sonst davon einfach eine Audioskizze festzuhalten, entschied sich Jeanette spontan zu einer aufwendigeren Demoaufnahme und filmte diese. In den folgenden Tagen fügte sie weitere Instrumente und Stimmen auf die gleiche Weise hinzu und stellte das Ergebnis als One-Woman-Band-Video ins Netz, woraufhin ihre Fans sich mehr „solche“ Songs wünschten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jeanette Hubert bereits das Studioalbum On The Run bei Ozella Music veröffentlicht und war längere Zeit als Livemusikerin, solo und mit verschiedenen Bands, unterwegs. Aber jetzt erkannte sie, was sie als Künstlerin wirklich wollte – wo sie sich wirklich zuhause fühlte.

Hochmotiviert begann Jeanette, ihre damalige Kreuzberger Einzimmerwohnung in ein Tonstudio umzuwandeln, um fortan komplett in Eigenregie zu produzieren. Sie nahm dabei bewusst in Kauf, dass dieser Prozess ohne professionelle Umgebung erst einmal viele ungeschliffene Ecken und Kanten mit sich brachte. Dem konnte sie jedoch gleichzeitig mit viel Liebe zum Detail entgegenwirken, um so eine ganz persönliche Perfektion zu erreichen.

Nicht alles entstand dabei zwingend in ihrem realen Zuhause. Für Flügelaufnahmen schloss sie sich zum Beispiel eine Nacht lang im Berliner BKA-Theater ein, wo sie zu dieser Zeit als Licht- und Tontechnikerin tätig war. Dabei entstanden unter anderem das sehr reduzierte „Of Keepers and Runners“ oder „Homeless“. Letzteres spiegelt zum Abschluss des Albums nicht nur musikalisch seine dynamische Entwicklung wider, sondern lässt auch die Kernidee im Raum stehen, dass Zuhause überall dort sein kann, wo man es finden möchte. Manche Songs wie „Moonlight“ schrieb sie in Hotelzimmern oder wo auch immer sie gerade ihre Inspiration fand, die mobile Aufnahmetechnik stets im Gepäck. Insgesamt arbeitete sie parallel an etwa dreißig Songs – jedoch zunächst ohne eine bestimmte Zielvorgabe; die Stücke sollten sich entfalten und ihren Weg alleine finden.

Viele der Texte handeln von Begegnungen – zwischen Liebenden wie in „Hurricane“, „in dem sich das lyrische Ich als Herzensbrecher bekennt und sich am Ende fragt, warum es so smart ist und trotzdem sein eigenes Herz nicht knacken kann“, so Jeanette Hubert. Oder einem Zusammentreffen von Freunden nach langen Jahren, bei dem beide Seiten merken, wie sehr sie sich auseinandergelebt haben“ in dem Song „Strangers“. „What Is Real“ handelt von einem Gitarrenschüler, der das Spiel „häufig durch Fragen und plötzliche Gedanken“ unterbrach, erinnert sich Jeanette, „meistens ging es darum, dass er erzählen und erklären wollte, warum er so ist, wie er ist: ängstlich, schüchtern, unsicher, voll von Ticks und Komplexen“ und einer Besessenheit, „dass es immer nur eine einzige richtige Antwort auf eine Frage geben kann oder eben nur eine einzige Wahrheit“. Von einer eher peinlichen Begegnung mit dem Musiker James Bay erzählt der Song „Moonlight“ und „Nowadays“ handelt vom anderen Extrem – der gar nicht stattfindenden realen Begegnung, „der Anonymität, hinter der man sich oft gern versteckt“.

Bevor Jeanette Hubert das Album vollenden konnte, kam dann das Leben in all seiner Schönheit dazwischen – mit der Geburt ihres Sohnes. Dessen Vater Klas Yngborn traf sie ebenfalls auf diesem langen Weg. Er trug als Begleiter an ihrer Seite mit seiner Stimme, am Klavier und am Schlagzeug einige musikalische Ergänzungen bei. Abgemischt wurde alles dann von Johannes Saal (u.a. Alin Coen, Erlend Øye, Super700) in Südfrankreich, das Mastering kam von Eroc (Grobschnitt).

Das Album-Cover als physisches „Zuhause“ der CD und LP ist ein kleines Kunstwerk geworden und wie so vieles aus einer zufälligen Begegnung heraus entstanden. Den Künstler Asaf Luzon lernte Jeanette auf einem Kreuzberger Kunstmarkt kennen. In seinen Aquarellzeichnungen erkannte sie genau die Kombination aus Melancholie und Lebensfreude wieder, die sie auch in ihrer Musik ausdrückt. Er ließ sich von ihren Liedern inspirieren und zeichnete für das Artwork neben dem Cover auch zahlreiche Elemente aus Jeanettes Wohnung, die ihr wichtig sind und voller persönlicher Anekdoten stecken – wie zum Beispiel das Nummernschild des alten Autos, über das sie via Carsharing ihren Lebenspartner Klas kennenlernte und das in ihrem nun gemeinsamen Zuhause an der Wand hängt. Oder den Teppich, auf dem fast alle Aufnahmen entstanden sind, obwohl er immer nur geliehen war, bis er eines Tages als Geschenk vor der Tür stand. Ganz gleich wo auf der Welt oder im Universum, „Zuhause“ sind auch immer Erinnerungen, die uns ausmachen.

Gänzlich ungeplant spiegelt Home auch ein Leitthema unserer Gegenwart wider, wonach sich das Leben und die Arbeit vermehrt in die eigenen vier Wände verlagert. Es ist eine gewisse Ironie des Schicksals, dass das Album ausgerechnet jetzt gereift ist und erscheinen kann, aber in seiner Ausgeglichenheit und Nahbarkeit ist es auch ein wunderbares Hörerlebnis für diese Zeit – Musik für das wohlige Gefühl, sich in jeder Hinsicht zuhause zu fühlen und die Welt da draußen für einen Moment zu vergessen.


ENGLISH VERSION:

On her new album Home, Jeanette Hubert presents eleven touching songs between melancholy and tongue-in-cheek, showcasing her expressive vocals with airy, jazzy arrangements and haunting melodies. Created in a process over the past years, the album is a testimony to her artistic independence and self-discovery.

All of the tracks are written and produced by her, with nearly all of the instruments recorded by herself. A struggling self-taught musician, the Berlin native has also always maneuvered her way through a colorful life. Between composing music for theater projects, diverse lighting and sound engineering jobs, such as for "TV Noir", as well as open youth work, she collects inspirations, experiences and stories that she takes home with her. And home is a whole world for Jeanette. Home means traveling, searching, finding, running away and arriving again. Home is longing, rejoicing, grieving. Home is the unique feeling of being whole somewhere. Home, that is their music.

It all started a few years ago on her sofa with coffee and a guitar. Blinded by the glaring, incoming autumn sun after a long night with friends, "By My Side" came into being in just a few minutes - a song that makes you want to mentally transport yourself to a jazz bar to listen to the singer's soft-smoky voice. Instead of simply recording an audio sketch of it as she usually does, Jeanette spontaneously decided to make a more elaborate demo recording and filmed it. In the following days, she added more instruments and voices in the same way and posted the result as a one-woman band video on the web, whereupon her fans wished for more "such" songs. At that time, Jeanette Hubert had already released the studio album On The Run on Ozella Music and had been on the road for a long time as a live musician, solo and with different bands. But now she realized what she really wanted as an artist - where she really felt at home.

Highly motivated, Jeanette began to convert her then one-room Kreuzberg apartment into a recording studio, in order to produce from then on completely on her own. She consciously accepted that this process, without a professional environment, would initially bring with it many rough edges. At the same time, however, she was able to counteract this with a great deal of attention to detail in order to achieve a very personal perfection.

Not everything was necessarily shot in her real home. For flight recordings, for example, she locked herself up for a night in Berlin's BKA Theater, where she was working as a lighting and sound technician at the time. This resulted in, among others, the very reduced "Of Keepers and Runners" or "Homeless". The latter, at the end of the album, not only musically reflects its dynamic development, but also leaves the core idea in the room that home can be wherever you want to find it. Some songs like "Moonlight" she wrote in hotel rooms or wherever she just found her inspiration, the mobile recording equipment always in her luggage. In total, she worked on about thirty songs in parallel - but initially without a specific target; the pieces should unfold and find their way on their own.

Many of the lyrics are about encounters - between lovers, as in "Hurricane," "in which the lyrical I confesses to being a heartbreaker and asks himself at the end why he is so smart and still can't crack his own heart," says Jeanette Hubert. Or a reunion of friends after long years, where both sides realize "how much they have drifted apart" in the song "Strangers. "What Is Real" is about a guitar student who interrupted playing "frequently with questions and sudden thoughts," Jeanette recalls, "mostly about wanting to tell and explain why he is the way he is: scared, shy, insecure, full of tics and complexes" and an obsession "that there can only ever be one right answer to a question, or just one truth." The song "Moonlight" tells of a rather embarrassing encounter with the musician James Bay, and "Nowadays" is about the other extreme - the real encounter that doesn't happen at all, "the anonymity behind which one often likes to hide".

Before Jeanette Hubert could complete the album, life then intervened in all its beauty - with the birth of her son. His father Klas Yngborn also met her on this long road. He contributed as an accompanist at her side with his voice, on the piano and on the drums some musical additions. Everything was mixed by Johannes Saal (among others Alin Coen, Erlend Øye, Super700) in the south of France, the mastering was done by Eroc (Grobschnitt).

The album cover as the physical "home" of the CD and LP has become a small work of art and, like so many things, came out of a chance encounter. Jeanette met the artist Asaf Luzon at an art market in Kreuzberg. In his watercolor drawings she recognized exactly the combination of melancholy and joie de vivre that she also expresses in her music. He was inspired by her songs and, in addition to the cover, drew numerous elements from Jeanette's apartment for the artwork that are important to her and full of personal anecdotes - such as the license plate of the old car through which she met her life partner Klas via car sharing and which hangs on the wall in their now shared home. Or the carpet on which almost all the photographs were taken, although it was only ever borrowed, until one day it arrived on her doorstep as a gift. No matter where in the world or in the universe, "home" is also always memories that define us.

Wholly unplanned, Home also reflects a leading theme of our present day, according to which life and work are increasingly shifting to our own four walls. It is a certain irony of fate that the album has matured and can appear now of all times, but in its balance and closeness it is also a wonderful listening experience for this time - music for the comforting feeling of being at home in every respect and forgetting the world outside for a moment.